Klimawandel und Energiewende in der Dom. Rep. – ein Interview

Zu Beginn meines Freiwilligenjahres in der Dominikanischen Republik war ich überrascht zu hören, dass die Energiewende hier eine wichtige Rolle spielt. Die Menschen in einem Entwicklungsland haben bestimmt andere Sorgen, als die Reduktion ihres CO2-Ausstoßes, dachte ich. Aber schließlich ist der Klimawandel ein Thema, das uns alle angeht. Um mehr über die Energiewende und den Klimawandel in der Dominikanischen Republik herauszufinden, habe ich mit dem deutschen Experten Jens Richter gesprochen, der als integrierte Fachkraft an der Universität ISA in Santiago de los Caballeros mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien arbeitet. Das Interview ist sehr lang geworden, deswegen habe ich es in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten geht es allgemein um Klimawandel, Energiewende und Umweltschutz in der Dominikanischen Republik und im zweiten gehen wir genauer auf Jens’ Schwerpunkt Biomasse ein.

Was ist deine Arbeit an der Universität ISA?

Ich bin als sogenannte integrierte Fachkraft über CIM an der Universität ISA. CIM ist das Zentrum für internationale Migration und Entwicklung, eine Kooperation zwischen GIZ und der Auslandsvermittlung des Arbeitsamtes. Sie vermitteln u.a. Fachkräfte auf Anfrage von lokalen Institutionen. Man hat einen lokalen Arbeitsvertrag und bekommt einen Zuschuss – d.h. man arbeitet in keinem eigenen Projekt, sondern ist eine lokal angestellte, integrierte Fachkraft.

Mein Titel hier ist „profesor investigador“, also Forschungsprofessor. Mein Arbeitsschwerpunkt sind erneuerbare Energien – dabei ganz speziell Biomasse – weil die ISA vorwiegend in dem Bereich arbeitet. Daneben bin ich auch bei vielen anderen Sachen beteiligt, wenn etwas ansteht wie zum Beispiel Fischprojekte oder Unterrichtseinheiten, Gutachten für einen Park in Santiago, …

Die Dominikanische Republik liegt in einer Zone, die in der Zukunft vom Klimawandel stark betroffen sein wird. Inwiefern spürt man die Veränderungen hier auf der Insel schon heute?

Ich bin der Meinung, dass man das heute noch nicht wirklich spürt. Es gibt immer mal heiße Jahre, trockene Jahre, so wie dieses jetzt, aber das auf den Klimawandel zurückzuführen, halte ich für übertrieben. Der Klimawandel ist eine langfristige Sache und nicht eine, die von einem auf das andere Jahr passiert. Einen deutlichen Anstieg des Meeresspiegels konnte ich beim letzten Mal noch nicht feststellen (lacht). Also ich denke, man spürt es noch nicht, nicht so, dass man es nachweisen kann.

Welche Stellung nehmen erneuerbare Energien in der D.R. ein? Inwiefern wird ein Umstieg auf E.E. gefördert?

Das Thema hat definitiv eine wachsende Bedeutung. Seit 2007 gibt es das Erneuerbare Energien Gesetz und ein oder zwei Jahre später kam die Durchführungsbestimmung dazu. Das gilt als ziemlich vorbildlich in der Region und gibt auch deutliche Anreize für E.E.: keine Zollgebühren beim Importieren von entsprechenden Technologien, steuerliche Absetzbarkeit zumindest teilweise und die Möglichkeit der Netzeinspeisung.

Es gibt inzwischen schon seit längerem die nationale Energiekommission und seit letztem Jahr auch ein Ministerium dafür – die Thematik hat also schon eine Bedeutung auf Ministeriumsebene bekommen.

Jens Richter

Auf welche Art von erneuerbaren Energien wird am meisten Wert gelegt und warum?

Bis jetzt ist der größte Teil Photovoltaik. Große Windparkprojekte gab es schon viele und seit langem, aber es ist erst einer in Betrieb. Im Biomassebereich, was es seit längerem gibt, gibt es einzelne, isolierte Biogasanlagen.

Die Zukunft wird aus einem Mix bestehen, jede Energie dort, wo sie am besten passt, wo der Bedarf gegeben ist. Natürlich ist mein Arbeitsschwerpunk Biomasse. Das ist eine Sache, die meines Erachtens noch sehr stiefmütterlich behandelt wird, verglichen mit der Bedeutung, die sie eigentlich hat sowohl für die Dom. Rep. als auch weltweit. Wenn von Energie gesprochen wird, verstehen die meisten darunter Strom, also elektrische Energie, aber das ist eben bei weitem nicht alles.

Kannst du mir sagen, wie groß der Anteil des erneuerbaren Stroms in der D.R. heute schon ist?

26% am totalen Energieverbrauch (also inklusive Transport, Kochen, Heizen, …), Stand 2013.

Wie stehen die Dominikaner zu Klimawandel und Energiewende? Sind das hier bekannte Begriffe?

Die Energiefrage ist auf jeden Fall ein Thema im Land, nicht nur wegen E.E., sondern einfach wegen den hohen Kosten und vielen Stromausfällen. Insofern sind Dominikaner durchaus offen und interessiert an Alternativen. Für die, die Strom haben, sind günstigere Alternativen interessant und für die, die keinen Strom haben, überhaupt welchen zu bekommen. E.E. sind da eine interessante Geschichte, vorwiegend natürlich Photovoltaik-Anlagen – was man inzwischen auch schon häufiger auf Dächern sieht, sowohl privat als auch bei kleineren Firmen. Das ist zwar keine bewusste Stellung zur Energiewende, aber Interesse an alternativen, günstigeren Energien.

Zum Thema Klimawandel kann ich natürlich nicht für alle Dominikaner sprechen. Wenn man in die Dörfer hinter den Bergen geht, wird das eher kein bekannter Begriff sein. Aber bei uns an der Uni ist man sich dem Klimawandel durchaus bewusst. Auch wenn, soweit ich das sehe, die Meinungen dazu manchmal einerseits ein wenig einfach gestrickt und andererseits weit hergeholt sind. Da wird halt oft gesagt, ach Mensch der Sommer ist so heiß, das ist die Klimaerwärmung und so. Da werden sehr einfache und schnelle Verbindungen gezogen, die nicht immer so zutreffen. Aber dass es so etwas gibt, ist bekannt. Unter anderem führt unsere Universität jetzt auch einen UNESCO-Kurs durch, der landesweit gemacht wird, zur Weiterbildung von Lehrern in primarias (Grundschule) und sekundarias (Mittelschule) zum Thema Klimawandel.

Die Dominikanische Republik ist ein Entwicklungsland. Inwiefern hängen Klima- und Umweltschutz und eine fortschreitende Entwicklung zusammen? Profitieren sie voneinander oder behindern sie sich eher gegenseitig?

Es gibt natürlich viele Bereiche, die nebeneinander laufen und nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. Wenn jetzt zum Beispiel die Landwirtschaft intensiviert wird, dann wird da eher weniger darüber nachgedacht, ob das gut für die Umwelt ist oder nicht. Natürlich gibt es die Produktion von organischen Produkten für den Export, die langsam ansteigt. Insofern gibt es schon einen Zusammenhang zwischen Entwicklung und Umweltschutz. Wobei das auch eine Marktnachfrage ist und keine bewusste Entscheidung für umweltfreundliches Wirtschaften.

Ökotourismus ist noch eine andere Geschichte, die so ein bisschen am kommen ist. Wobei auch noch viel Ökotourismus genannt wird, was damit nichts zu tun hat.

In der Industrie ist das Problem, dass fast die ganze erneuerbare Energien-Technologie bisher importiert ist. Das heißt, es wird wenig hier hergestellt, eigentlich gar nichts. Nur im Bereich der Installation gibt es natürlich Arbeitsplätze und davon wird es auch in Zukunft mehr geben.

Ein Programm, das man vielleicht erwähnen könnte, ist das „Pago por Servicios Ambientales“. Dieses System bezahlt Landnutzer für Umweltleistungen, mit dem Blick auf die Nutzung der Ressourcen, nachhaltige Bewirtschaftung und nicht-Abholzung der Wassereinzugsgebiete. Wobei man das natürlich auch kritisch sehen kann. Ich sehe es ein bisschen zwiespältig, Leute dafür zu bezahlen, dass sie ihre eigene Lebensgrundlage nicht zerstören.

Tote, verkohlte Baumstämme – auch noch zehn Jahre später sieht man in diesem Nationalpark im Landesinneren der Dom. Rep. die Folgen eines verheerenden Waldbrandes.

In den letzten Jahrzehnten hat die Insel Hispaniola stark unter Abholzung gelitten. Die Dominikanische Republik hat im Gegensatz zu Haiti den Schalter rechtzeitig umgelegt und durch Aufforstungsmaßnahmen eine großflächige Verwüstung des Landes verhindert. Wie sieht es heute mit dem Forstbestand und der Artenvielfalt im Land aus?

Das Land hat jetzt nicht noch mehr Wald als Haiti, weil viel aufgeforstet wurde, sondern weil der Wald schon länger geschützt war. Das geht zurück auf Trujillo* Zeiten. Trujillo hat den Wald praktisch als sein Eigentum betrachtet und Waldnutzung und Forstwirtschaft komplett verboten. Erst um die Jahrtausendwende ist das offiziell in die Zuständigkeit des Umweltministeriums gekommen und es wurde angefangen, erstmals Bewirtschaftungspläne zu erstellen für Kleinprivatwaldbesitzer. Das ist ein Fortschritt, aber die sind natürlich auch noch basic und decken drei-vier Prozent der Waldfläche ab, trotz der vielen Millionen und der vielen Jahre, die inzwischen dort reingeflossen sind. Alles in allem bedeutet das, dass es im Land bis heute keine Forstwirtschaft, wie wir sie verstehen, gibt.

Natürlich hat das alles zur Walderhaltung beigetragen, obwohl vieles nicht sehr produktiv und eher diktatorisch war. Die Rückwirkung davon – oder die gegenteilige Wirkung davon – sehen wir jetzt: Der Wald ist nicht interessant für die Leute. Wenn er nicht genutzt wird und nicht genutzt werden darf, hat er auch keinen Wert. Die Bauern, die in den Wald gehen, um nach neuen Landwirtschaftsflächen zu suchen, hacken und brennen alles ab. In diese abgelegenen Gebiete geht auch keiner hin und kassiert Strafe, weil natürlich nichts zu holen ist. Aber der Wald, der ist weg.

Nichtsdestotrotz gibt es seit Jahren große Aufforstungsinitiativen, die sehr intensiv betrieben werden. Die Initiativen sind ein guter Ansatz, es könnte nur etwas mehr professionalisiert werden, um nachhaltiger und effizienter Ergebnisse zu erzielen.

Ein großer Teil der Abholzung wird durch Rodung für Landwirtschaft verursacht. Ist Biolandwirtschaft in der Dominikanischen Republik am kommen oder wird konventionelle Landwirtschaft weiterhin bevorzugt?

Konventionelle Landwirtschaft ist dominierend. Organische Landwirtschaft ist hauptsächlich für den Export, da scheint es so, dass die Nachfrage steigend ist. Was für einen Anteil das ausmacht, kann ich nicht sagen. Hier auf dem lokalen Markt da will bis jetzt keiner für eine Banane mehr bezahlen. In den Großstädten gibt es vielleicht die Nachfrage, aber das ist noch sehr klein. Wir hatten auch ein Projekt, um einen organischen, zertifizierten Markt in Santiago aufzumachen. Das hat aber nicht richtig funktioniert, weil einfach noch nicht genug Produkte da sind, um so etwas attraktiv zu machen. Du kannst nicht so einen Laden halten mit ein paar Bananen und ein paar Yucca …

Bio-Bananen – gekauft auf einem lokalen Markt in der Dom. Rep. Ein seltener Anblick. Wie die wohl hierhin gekommen sind?

Eine weitere Bedrohung für die Wälder sind Brände, die auch durch Müllverbrennung verursacht werden. Wie sieht es mit der Müllentsorgung im Land aus? Wann beginnt man endlich mit recycling?

Zu den Bränden: ich denke, die meisten Brände sind sicher nicht auf die Müllverbrennung zurückzuführen. Es ist halt eine Tradition, deren Sinn ich nie begriffen habe, dass oftmals Straßenränder, oder Weiden abgebrannt werden, um vermutlich Unkraut kurz zu halten, den Nachwuchs zu stimulieren, oder wofür auch immer. Das gerät natürlich regelmäßig außer Kontrolle.

Müllrecycling ist im Kommen. Definitiv noch nicht landesweit, aber es gibt Privatinitiativen, private Firmen, die entdeckt haben, dass man damit Geld machen kann. Aber das ist auch hauptsächlich eine ökonomische Frage.

Staatlicherseits, abgesehen von Projekten, die von Organisationen unterstützt wurden, ist das sehr schwierig. Das landet alles noch unsortiert auf der Müllkippe. Es gab wohl verschiedene Ansätze zu Mülltrennung und Recycling/Energieerzeugung mit der Stadtverwaltung von Santiago. Aber aufgrund von unklaren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sowie wechselnden politischen und persönlichen Interessenlagen sind solche Projekte bisher nicht erfolgreich gewesen. Da stößt man schnell auf Probleme wie die weit verbreitete Korruption und Begehrlichkeiten, die geweckt werden, wenn jemand vermutet, dass irgendjemand einen Vorteil erzielen könnte. Eine Investition auf solch unsicherer Grundlage zu tätigen ist völliger Selbstmord.

Außerhalb der Touristenstrände ist häufig alles zugemüllt. Vieles hiervon wird auch aus dem Meer angespült.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Nach 7 Jahren in der Dom. Rep. ziehst du diesen Sommer mit deiner Familie nach Deutschland zurück. Worauf freust du dich am meisten und was wirst du vermissen?

Worauf wir uns freuen: viel Grün, Sauberkeit, Platz für die Kinder, unsere Freunde und Familie – dass man die mal wieder öfter sieht als nur einmal im Jahr. Und ansonsten natürlich Brot, Bier, Bismarckhering, Käse, …

Was wir hier vermissen werden: Meine Arbeit, meine Arbeit ist wirklich gut mit meinen Kollegen an der ISA. Ich weiß nicht, ob man in Deutschland eine Arbeit findet, an der man noch so viele Freiheiten hat, sich selbst einzubringen, kreativ zu sein, die Richtung mitzubestimmen – und dabei auch tolle Kollegen hat und eine Leitung, die das unterstützt, anerkennt und zu schätzen weiß und auch gerne hätten, dass man das weitermacht; außerdem das unbürokratische Leben hier, dass man hier doch vieles einfacher erledigen kann …

*dominikanischer Diktator von 1930 – ’61

Zuerst veröffentlicht in der WWF Jugend Community.

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